Ausgerechnet die Glühbirne! Ausgerechnet dieser kleine, unscheinbare Gebrauchsgegenstand, der gemeinhin so gerne als Sinnbild guter Ideen Verwendung findet. Ausgerechnet jenes Utensil was so mancher Nostalgiker so schmerzlich vermisst. Ausgerechnet sie ist das erste Konsumgut der Menschheitsgeschichte mit geplanter Obsoleszenz. Was wie das Unwort des Jahres klingt heißt heute schöner »Produktlebenszyklus« und ist eines der strukturellen Widersprüche unseres aktuellen Marktsystems.
Denn ohne künstlich angelegten Verschleiß würde unsere gesamte westliche Wohlstandsgesellschaft wahrscheinlich in die tiefe, tiefe Depression rutschen: Mit einer stetig steigenden Produktivität müssen immer wieder neue Absatzmärkte erobert werden. Muss die Wirtschaft jährlich wachsen. Was soll sie also tun, wenn die Nachfrage – zumindest derjenigen, die sich das leisten »dürfen« – befriedigt ist?
Wie die geplante Obsoleszenz entstand
Zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise des letzten Jahrhunderts gab es – sozusagen in Konkurrenz zum »New Deal« – die These von der »geplanten Obsoleszenz«: Produkte müssen ein verfrühtes Verfallsdatum haben, sonst verlieren wir zu viele Arbeitsplätze (oder Gewinne, wenn man der egoistischen Variante folgen möchte). Das Ergebnis: Glühbirnen halten nur noch 1.500 Stunden, Nylonstrümpfe kriegen künstlich leicht Laufmaschen, die Akkus von iPods lassen sich nicht austauschen (mittlerweile geht das nach umfangreichen Verbraucherprotesten und einer Sammelklage in den USA) und Drucker sind mit Mikro-Chips ausgestattet, die bei 1.800 Ausdrucken dafür sorgen, dass der Drucker fortan seinen Dienst verweigert (es soll Software im Internet geben, mit der man diesen Chip wieder auf Null stellen kann!).
Geplante Obsoleszenz – für Arbeitsplätze und gegen die Natur
Nun könnte man als Verbraucher dieses »An-der-Nase-herumführen« noch hinnehmen im Hinblick auf den Erhalt von Arbeitsplätzen. Doch schon ein Blick über den Gartenzaun reicht, um zu erkennen: Wir können uns in einer Welt mit endlichen Ressourcen diese Misswirtschaft nicht leisten! Wir können nicht arme Länder wie zum Beispiel Ghana mit giftigem Elektroschrott zumüllen – nur weil wir uns jedes Jahr ein neues Handy leisten wollen (ach ja: Moden, Statussymbole und Gruppenzwang ist eine mindestens ebenso gut planbare Obsoleszenz wie eingebaute Chips oder nicht ausbaubare Akkus…).
Was sind die Alternativen? Sharing, Postwachstum und Cradle-to-Cradle
Was wäre also die Alternative? Im Anschluss an die äußerst sehenswerte Dokumentation über geplante Obsoleszenz »Kaufen für die Müllhalde« (den es übrigens auch komplett auf Youtube gibt, klicke dazu einfach oben auf das Bild), gab es gestern bei ARTE eine Diskussion zu dem Thema zu sehen. Überzeugt hat sie leider nicht. Die Zauberformel soll angeblich »Cradle to Cradle« heißen. Jenes Prinzip von Michael Braungart, nach dem wir einfach alle Produkte, die wir erstellen, so gestalten, dass sie nicht Müll werden, sondern wertvolles Weiterverarbeitungsmaterial. Etwa wie Blätter, die – einmal vom Baum gefallen – auch kein Müll sind, sondern zu wertvollem Kompost verrotten.
In Kombination mit Leasing-and-Sharing soll das nun das Heil versprechen: Menschen kaufen dann nicht mehr Autos, Fernseher und Toaster, sondern mieten sie für einen bestimmte Zeit. Die Hersteller bleiben so im Besitz der Produkte – sind also auch dafür verantwortlich, sie zu entsorgen oder zu recyclen (das wäre nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip ja kein Problem mehr). Ich frage mich nur: Wie lange dauert es, bis wir alles umgestellt haben – können wir so lange warten? Und wie ist dann das Thema mit dem verschwindenden Erdöl und Erdgas – sprich der Energieversorgung – gelöst. Nun aber es ist ein Teilansatz und viele Teilansätze können ja schließlich auch zu einer Lösung gereichen. Oder was meint ihr?
P.S. In der DDR gab es übrigens natürlich keine geplante Obsoleszenz. Hier hielten Glühbirnen laut Film über 2.000 Stunden… Das entsprechende Glühbirnen-Werk würde nach der Wiedervereinigung natürlich geschlossen. Gehört hat man nie davon, dass diese Glühbirnen so viel länger halten, oder?
Alles klar. Danke! Na denn alles Gute
Wenn du sagst „das Ego ablegen und zum Wesentlichen des Lebens vordringen“ muss ich an das Buch denken, dass ich derzeit lese: Erich Fromm „Haben oder Sein“.
Empfehlenswertes Buch!
Ja, finde ich auch prima. Und es gibt dazu auch noch ein Buch von E.Fromm, indem er Wege und Möglichkeiten beschreibt, wie man vom Haben zum Sein kommen kann (nur als Empfehlungen gedacht). Das kann ich ebenfalls empfehlen.
Hi,
zunächst schreib mir doch bitte nochmal wo genau zu sehen/hören war, dass die DDR eine geplante Obsoleszenz durchgeführt hat und Glühbirnen dementsprechend max. 2000 h gehalten haben.
Als Lösungsansatz fände ich die „Cradle to Cradle-Variante“ erfolgversprechend. Wenn wir alle DInge die wir für unser wohlhabendes Leben bräuchten umweltfreundlich verbrauchen und entsorgen könnten, dann wäre das ein Kompromiss mit der Gesellschaft der realisierbar wäre.
Die radikalen Wege der Obsoleszenz gepaart mit Cradle to Cradle wäre wahrscheinlich ein Idealzustand. In diesem System könnte man so viele Probleme beheben. Aber zu einem solchen Wandel ist die Gesellschaft nicht in der Lage.
Wenn du dich über die Dauer der Umsetzung beschwerst, dann wäre es auch nett von dir eine schnellere Alternative zu beschreiben.
MfG
Mewes
Hallo Mewes, danke für Deinen Kommentar. Hier die Antworten auf Deine Fragen: /1/ Das mit den Glühbirnen in der DDR kommt in dem im Blogpost genannten Film vor. /2/ Ich glaube, man kann trefflich ganz, ganz lange darüber streiten, ob das C2C-Prinzip nun realistisch ist oder nicht. Ich glaube, dass uns die Umweltprobleme dramatisch einholen werden, bevor die Wissenschaftler und Designer ihre C2C-Produkte entwickelt haben. Wenn wir ehrlich wären, würden wir erkennen, dass es jetzt schon so ist. Nur dass wir eben hier in den reichen Ländern konsumieren – und andere Menschen in zumeist ärmeren Ländern müssen es ausbaden… Deshalb denke ich mir /3/ dass wir Menschen in der sog. „zivilisierten“ Welt wahrscheinlich wohl oder übel ziemlich dramatisch werden „lernen“ müssen, dass man so wie wir nicht leben kann, wenn man überleben will. Aber ich hab auch keine Glaskugel, das ist „nur“ meine Meinung… Viele Grüsse, Ilona
Hi Ilona,
ich hab die Doku gesehen und meine Frage bezog sich eher auf das Kapitel / den Zeitabschnitt in dieser Doku. Ich möchte meinen, dass es gegenteilig erwähnt wird.
Ich verstehe worauf du die Sache abzielst, doch ich kann mir kaum vorstellen, dass es mit einem Klick für uns alle dramatisch wird und eine Katastrophe die andere übertüncht. Die Katastrophen werden eher schleichend kommen und der Lernprozess wird wahrscheinlich gar nicht, zu spät oder nur für Vereinzelte kommen.
„Die Erde hat genug für die Bedürfnisse eines jeden Menschen, aber nicht für seine Gier“
Gandhi
Das Ziel dieser C2C-Variant muss ja auch nicht die totale Veränderung sein. Es reicht ja für die 2. Generation aus, wenn wir z.B.: alle textil. Stoffe anschließend umweltfreundlich kompostieren könnten. Das wäre doch zumindest ein Anfang.
Es ist doch klar dass wir das System nicht in einer Dekade zurückentwickeln (positiv gesehen weiterentwickeln :D). Die Gewöhnung an den Fortschritt kann man dem Menschen nicht nehmen ohne ihn polit. vollkommen zu beherrschen.
Ohne diese kleinen Fortschritte von Vereinzelten können wir doch gar nichts tun.
Du hast vollkommen recht. Und mir kommt es sogar so vor, als ob es gar nicht um die frage geht: „wer hat recht?“ Sondern es ist super, dass sich die einen damit beschäftigen und die anderen mit etwas anderem – und irgendwo fließt das dann irgendwie wieder alles zusammen, ergänzt und befruchtet sich (vielleicht auch in Form eines Konfliktes, die sind per se ja nichts Schlechtes). Gruss, Ilona
Falls mein Ausdruck zu böse klingt – entschuldige. Ich hab das Gespräch eigentl. so aufgefasst, dass wir das selbe wollen, aber darüber diskutieren wie.
Wirst du etwas in deinem Leben ändern oder hast du es bereits getan um diesen Zielen ein Stück näher zu kommen?
Ach, nein – ich fand Deinen Ausdruck nicht böse und hatte auch den Eindruck, dass wir das selbe wollen ;-)) Und, ja – ich versuche schon in meinem Leben etwas zu verändern. Wenn man es ganz runterbrechen will: das Ego ablegen und zum Wesentlichen des Lebens vordringen… Und ja, ich hab schon das Gefühl, dass ich diesem Lebensziel näher komme. Schritt für Schritt.