Was macht uns eigentlich wirklich glücklich? Und wie können wir unser Arbeitsleben, unser Unternehmen und unser Wirtschaftssystem so gestalten, dass es unser aller Glück mehrt? Ein Interview mit der Journalistin Ute Scheub.
Es ist schon einige Jahre her, da hatten die beiden Journalistinnen Annette Jensen und Ute Scheub genug von all den schlechten Nachrichten. Sie wollten – im Sinne von Robert Jungk – ermutigenden Journalismus betreiben und Projekte vorstellen, die gelingen. In diesem Zusammenhang stießen die beiden auf das Konzept des Bruttosozialglücks von Bhutan – und eine ganz andere Art, die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes zu bewerten: Was hier zählt, ist der Zuwachs an Glück. Das Thema ließ die beiden nicht los. Entstanden ist so ein ganzes Buch, dass sich der Frage widmet: Wie sieht eine Ökonomie des Glücks eigentlich aus? Das löste bei uns einige Fragen aus – und die hat uns freundlicherweise eine der beiden Autorinnen, Ute Scheub, beantwortet:
Liebe Ute Scheub: Was ist Glück denn eigentlich?
Die Frage lässt sich nicht einfach beantworten. Dazu ist seit den 1970er Jahren sogar ein ganzer Wissenschaftszweig entstanden. Einer der Begründer ist Richard Easterlin, nachdem das sogenannte Easterlin-Paradox benannt ist: Es besagt, dass die persönliche Zufriedenheit nicht parallel zum materiellen Reichtum wächst. Diese Erkenntnis hat einen Boom an Glücksstudien ausgelöst mit der Fragestellung: Was ist Glück und wie kann man es messen? Das Schwierige ist, dass man dabei subjektive Zustände möglichst objektiv messen will. Mittlerweile ist die Forschung so weit, dass man mit ausgeklügelten Umfragen ziemlich brauchbare Ergebnisse bekommt.
Und was macht uns Menschen nun glücklich?
Hier ist sich die Glücksforschung einig: Glücklich machen uns vor allem glückende soziale Beziehungen – Liebe, Freundschaft, die Familie, die nachbarschaftliche Einbindung oder die Einbindung in irgendeine Gruppe, eine Gemeinde. Das ist unser Glückselixier Nummer eins, lange vor jeglichem Besitz. Denn gute Beziehungen geben uns Sicherheit, falls irgendwelche Schicksalsschläge über einem hereinbrechen.
Ein weiterer Glücksfaktor ist eine sinnvolle Tätigkeit. Dann macht uns Natur glücklich. Diverse Studien zeigen, dass uns der Blick ins Grüne emotional ausgeglichen macht und sogar den Genesungsprozess von Kranken beschleunigt.
Selbstbestimmung und Mitbestimmung sind ebenfalls wichtig für unser Glück. Also dass wir unser Leben selbst gestalten können. Das kann man zum Beispiel sehr gut an der Schweiz sehen. Hier steigt die Lebenszufriedenheit der Einwohner, je mehr Mitbestimmung ein Kanton zulässt. Die Mitbestimmung ist mit der direkten Demokratie in der Schweiz grundsätzlich ja schon recht groß.
Nun bringt man den Begriff Ökonomie nicht unbedingt mit Glück zusammen…
Ja, das stimmt. Aber wir haben in unserem Buch deshalb den Begriff auch im ursprünglichen Sinne genutzt – nämlich „oíkos“, also dem griechischen Wort für „Haushalt“ und Befriedigung von Lebensbedürfnissen. Und dazu zählt dann natürlich auch all die Pflege- und Subsistenzarbeit, die nicht bezahlt wird. Ursprünglich war Ökonomie nicht zwangsläufig mit Geld verbunden. Das hat sich erst heute völlig verdreht – oder sogar ins Gegenteil verdreht. Denn was uns unglücklich macht, ist ja oft das Geld oder die Jagd nach Geld.
Wie kann ich denn mein (Arbeits)Leben so gestalten, dass es mein Glück vermehrt?
Wichtig ist vor allem, dass ich eine sinnvolle Tätigkeit ausübe – also eine Arbeit habe, die mir das Gefühl gibt, zum Gemeinwohl beizutragen. Man weiß inzwischen, dass eine egoistische Haltung unglücklich macht. Wer gibt, ist eindeutig glücklicher, als der, der nimmt. Das kann auch eine sinnvolle Tätigkeit neben dem Gelderwerb sein. Natürlich können das nicht alle, das ist mir auch klar. Doch man kann schauen, ob man sich ein Umfeld, eine Gemeinschaft schaffen kann, in der das geht. Zum Beispiel Verbraucher-Erzeuger- oder Wohngemeinschaften, durch die man weniger Geld zum Leben benötigt. Dadurch kann man sich den Freiraum für andere, nicht-kommerzielle Tätigkeiten schaffen, die das Lebensglück vermehren.
Welche Möglichkeiten hat ein Unternehmen, das Glück aller zu vermehren?
Hier sind die Genossenschaften ein schönes, älteres Modell, das es seit mindesten 150 Jahren gibt. Das heißt, eigentlich gibt es sie schon viel länger, nur hießen sie früher anders. Genossenschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie für die Mitglieder wirtschaften und nicht für den Profit und das macht alle glücklicher. Auch die bereits erwähnten Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften oder auch die solidarische Landwirtschaft sind ein Modell, wie Unternehmen zum Glück aller beitragen können. Dabei erhält der Landwirt von der Gemeinschaft einen verabredeten Geldbetrag und beliefert diese dafür mit gesunden Lebensmitteln.
Solche Modelle kann man sich natürlich auch auf anderen Ebenen vorstellen. Das heißt: Erzeuger und Verbraucher rücken wieder näher zusammen. Das verringert Konkurrenz, fördert soziale Bindungen und führt auch dazu, dass nicht immer Dinge produziert werden, die niemand braucht oder die sofort kaputt gehen, Stichwort „geplante Obsoleszenz“. Wir haben ja mittlerweile schon ein perverses System, das einfach nur die Müllhalden füllt und niemanden glücklich macht.
Stichwort „System“: Was kann auf der Ebene von Staat und Politik geschehen, um eine Glücksökonomie zu fördern?
Ein Vorbild ist etwa der Staat Bhutan, in dem alle zwei Jahre über ein komplexes Befragungssystem das Bruttosozialglück und die Lebenszufriedenheit seiner Einwohner gemessen wird. Ein anderes Beispiel ist das Konzept des „Buen Vivir“ in Lateinamerika. Das sind althergebrachte, indigene Vorstellungswelten, wie man mit anderen und der Natur in Harmonie lebt. Ecuador und Bolivien haben diese in ihre Verfassung eingeschrieben. Allerdings muss man dazu sagen, dass die Realität in diesen Staaten nun auch nicht unbedingt so rosig aussieht wie auf dem Papier.
Aber welche strukturellen und politischen Vorschläge können Sie machen, um einer Glücksökonomie näher zu kommen?
Da gibt es zum Beispiel den Österreicher Christian Felber mit seinem Konzept der Gemeinwohlökonomie. Er sagt, die jetzige Wirtschaft fördere die schlechtesten Eigenschaften des Menschen: Gier, Neid, Konkurrenz und Angst. Und so hat er zusammen mit anderen ein Modell entwickelt, wie sich das Ganze umkehren lassen soll. Dazu muss man natürlich an den Rahmenbedingungen drehen. Heutzutage werden Aktiengesellschaften per Gesetz verpflichtet, dass sie für ihre Aktionäre Profit machen müssen. Das heißt, sie dürfen gar keine Rücksicht nehmen auf das Glück von irgendjemandem. Dieses und andere solcher Gesetze müssten wir dringend ändern. Das braucht vor allem politischen Druck – und viele „Aussteiger“, die aus der ökonomischen Elite kommen, fordern dies ja mittlerweile auch.
Sind wir denn auf dem Weg zu einer Glücksökonomie?
Da sehe ich zur Zeit so eine Art Kippform, also ein Bild, in denen man auf den ersten Blick nur ein Motiv wahrnimmt – und wenn man noch mal genauer hinschaut, dreht sich das Bild auf einmal um und man erkennt noch ein anderes Motiv. Denn der dominante und vor allem auch weithin sichtbare Teil unserer Wirtschaft ist immer noch absolut auf Crash-Kurs mit der Natur und unserem Glück. Und es zeichnet sich überhaupt nicht ab, dass sich hier irgendetwas ändert. Gleichzeitig sehe ich, dass sich an den Rändern dieses Bildes unheimlich viel tut und es ein großes Bedürfnis für eine neue Zusammenarbeit gibt. Das war zum Beispiel auf der Leipziger Konferenz „Degrowth“ zum Thema „Postwachstumsökonomie“ sehr sichtbar.
Vielleicht muss nur irgendein unvorhergesehenes Ereignis kommen und schon denken die Leute: Huch, warum habe ich das früher nicht gesehen – heute sehe ich das ganz klar. So wie nach Fukushima die Energiewende auf einmal ganz schnell ging. Im Untergrund rumort es überall schon ganz stark. Aber keiner kann sagen, wann es so weit ist – oder ob überhaupt etwas passiert oder in welcher Form.
Was kann der Einzelnen gegen tun, um eine Glücksökonomie für alle zu fördern?
Wir haben am Ende unseres Buches einen kleinen Aktionsplan für ein gutes Leben aufgestellt – auch angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung gerade an einem solchen arbeitet und wir uns aber nicht so viel davon versprechen. Dem wollen wir unseren eigenen Aktionsplan entgegensetzen und haben 33 Vorschläge zusammengetragen. Auf der Website www.gluecksoekonomie.net kann jeder und jede diesen Plan ergänzen, erweitern und kommentieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Bibliografische Angaben
Glücksökonomie
Wer teilt, hat mehr vom Leben
Annette Jensen und Ute Scheub
oekom Verlag (www.oekom.de)
ISBN 978-3-86581-661-0
19,95 Euro
www.gluecksoekonomie.net
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Danke an Ute Scheub für das Bild
Vielen Dank für Ihre Ideen. Wir konnten ein paar interessante Gedanken für uns selber darin finden. Selbst wenn es das Leben gut mit uns meint, es unserem Umfeld und auch uns selbst gut geht, freuen wir uns im Leben immer über eine extra Prise Glück. „Vivre la vie“ gehört in Frankreich zur Lebensmaxime, bei uns Deutschen bleibt davon ein trockenes „Lebe dein Leben“. Es fehlt das Triumphierende der Sprache, der Aufschrei des Lebens, des Glücks für möglichst lange Momente. Vor unserem geistigen Auge assoziieren wir damit häufig, wie die Jugend in ihrer Unbeschwertheit auf die Dinge zuzugeht, völlig unbekümmert in einem Bewusstsein, dass es das Leben nur gut mit einem meinen kann. Es ist nicht schwer, Dinge zu finden, die einen glücklich machen. Der warme Frühlingswind, die Brise am Meer, das fröhliche abendliche Zusammensein. Auf die innere Haltung kommt es an und im französichen Vivre la vie schwingt etwas wie „Umarme das Leben“, halte es fest, mit allen Sinnen, lebe glücklich. Mit zunehmenden Alter bleibt es die Kunst des Lebens, jene Dinge festzuhalten, die uns glücklich machen. Uns eine gute Portion Unbeschwertheit und Jugend zu bewahren, selbst wenn sich die ersten kleinen Fältchen ins Gesicht graben. Lachfalten machen nicht alt, sie halten jung.Das Leben bleibt uns als Chance und Herausforderung auf der Suche nach Dingen, die uns glücklich machen, uns positiv einstimmen. Seien wir nicht allzu streng mit uns selbst. Halten wir das Glück fest, wenn es uns gefunden hat und lernen wir für unser Leben daraus. Glück schenkt uns Lebensfreude und Lebensmut, lässt uns auch manche schwierige Situation überstehen. Mit Optimismus und neuer Kraft sind wir fähig das Leben zu greifen und die Dinge hin zum Positive zu bewegen. Auf den Weg dorthin müssen wir die großen und kleinen Momente des Glücks pflegen wie eine zarte Pflanze im Garten. Den Boden bereiten, ihm die Nährstoffe zuführen und gelegentliches Gießen, vor allem wenn wir in der Hitze des Alltags zeitweise vergessen an uns zu denken, an unser ganz persönliches Glück.