Zuversicht zu kultivieren und zu verbreiten ist eine Kunst, die alle Weltverbesserer täglich üben sollten. Jawohl: Üben! Warum und wie? Hier gibt’s die Antwort.

Hoffnungslosigkeit und Entmutigung ziehen so einige Folgeprobleme nach sich: Passivität oder sogar Lethargie, Meckern, Schuldzuweisungen, Resignation und eine Mentalität der Absicherung. Kurz gesagt, das Gegenteil von dem, was wir in diesen Zeiten der Veränderung brauchen: Neugier, Offenheit, Solidarität, Entdecker- und Experimentierfreude, Mut, Hingabe und Engagement.

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Blog-Parade Glaube, Hoffnung, Zuversicht.

Mit Zuversicht Brücken bauen

Die Brücke von der einen zur anderen Haltung ist die Zuversicht. Heute sieht vielleicht noch alles übel aus – aber ich vertraue darauf, dass es morgen oder übermorgen schon besser wird, das letztlich alles gut ausgeht und dass ich es bin, der das (mit) bewirken kann.

„Zuversicht ist etwas, mit dem wir alle auf die Welt kommen“, meint der Hirnforscher Gerald Hüther. Andernfalls könnten wir uns der Welt als Kinder gar nicht positiv und neugierig zuwenden und sie entdecken – wir könnten nicht lernen, Dinge ausprobieren, uns weiterentwickeln und die Welt um uns herum mitgestalten.

Der Glaube an die Selbstwirksamkeit

Doch irgendwie geht uns diese Lust auf das Neue im Laufe des Erwachsenwerdens nach und nach verloren. Fehler sind dann nicht mehr etwas, das zum Lernprozess unweigerlich dazu gehört und lediglich eine Etappe zur Lösung. Fehler werden etwas, was schlecht ist und falsch und bestraft gehört.

Und so kommt es, dass wir nach und nach meinen, immer weniger Einfluss auf unser Leben und unsere Umwelt zu haben – wir glauben nicht mehr an unsere Selbstwirksamkeit, wie das der Selbstwirksamkeitsforscher Dr. Mathias Jerusalem beschreibt:

„Glaube ich an meine Selbstwirksamkeit, so denke ich, dass ich eine Herausforderung aufgrund meiner Kompetenzen meistern kann (unabhängig von der Umwelt). Zuversicht bezieht hingegen auch noch so etwas wie günstige Umstände, Hilfe von Außen etc. mit ein“.

Placebos und selbsterfüllende Prophezeiungen

Leider beschreibt das sogenannte Thomas Theorem beschreibt: „Wenn die Menschen Situationen als real definieren, sind sie in ihren Konsequenzen real.“ Ob wir nun selbstwirksam sind oder nicht – wenn uns die Zuversicht fehlt, es zu sein, dann sind wir es auch nicht…

Die Placebo-Forschung bestätigt diesen Zusammenhang zwischen unseren Überzeugungen und der von uns geschaffenen Realität eindrücklich und nachweisbar: Glauben Menschen, dass durch die Einnahme eines inhaltsfreien Kügelchens eine bestimmte heilende Wirkung ausgelöst wird – so schüttet der Körper genau die Stoffe aus, die er braucht, um sich selbst zu heilen.

Zuversicht allein kann also Heilung bewirken – warum sollte das nicht auch für unser Leben, unser Zusammenleben, unsere Gesellschaft, unsere Kultur gelten? Ohne die Zuversicht, dass mein Handeln eine positive Wirkung auf unser Verhältnis zueinander, zu Tieren, Ressourcen, der Natur hat, wird jedenfalls keine „Heilung“ eintreten.

Zuversichtskiller und Alternativen

Doch unsere Zuversicht wird von allen Seiten attackiert: Die Medien bringen schlimme Nachrichten. Die Politiker halten das Herkömmliche für Alternativlos. Und die NGOs mahnen an, dass alles zu spät ist, wenn wir nicht jetzt sofort gesamtgesellschaftlich umsteuern – was natürlich nicht passiert. Wie soll sich da nicht die Annahme durchsetzen, dass ich allein sowieso nichts bewirken kann?

Ich alleine – wieso eigentlich? Wir gemeinsam! Die vielen Menschen, die in Sachen Flüchtlinge die Nase voll haben von der Untätigkeit der Institutionen und Politik, zeigen doch, dass sie nicht allein sind. Und sobald sie sich aus ihren Sesseln erheben und tatsächlich rausgehen, werden sie auch sichtbar. Geschieht das nicht, schätzen wir die Lage ja vielleicht doch viel ausweglose ein, als sie tatsächlich ist.

Beispiel Naturschutz

Beispiel Naturschutz: Laut der Studie Naturbewusstsein 2013 ärgern sich 83 Prozent der Deutschen darüber, dass andere sorglos mit der Natur umgehen. Da sollte man doch meinen, dass diese 83 Prozent selbst dann aktiv dazu beitragen, die Natur zu schützen. Doch weit gefehlt: Nur etwa 40 Prozent haben im letzten Monat mehr als zweimal Produkte gekauft, die die Natur schützen.

Das kommt vielleicht auch daher, dass immerhin 55 Prozent aller Deutschen meinen, dass sie selbst keinen großen Beitrag zum Schutz der Natur leisten können. Oder natürlich, dass ihnen der ökologisch-korrekte Einkauf zu aufwendig und teuer erscheint. Es wird Zeit, diese Dissonanz aufzulösen – und dem Einzelnen nicht nur ein Gefühl seiner Selbstwirksamkeit zu geben, sondern auch das Bewusstsein dafür, dass er oder sie einer von vielen ist, denen es genauso geht!

Ermutigung zur Zuversicht

Das Gefühl der Selbstwirksamkeit und das Gefühl, als Teil einer Gemeinschaft ein Ziel zu verfolgen, sorgen also beide dafür, dass Zuversicht auf eine bessere Welt entsteht. Doch wie können wir beides stärken? Ein Weg ist es, positive Wahrheiten zu verkünden, ermutigende Geschichten zu erzählen und Vorbilder zu vermitteln, die zeigen: Ja, es ist möglich – alleine und gemeinsam – etwas zu bewegen.

Darüber hinaus ist es auch möglich, durch das eigene Verhalten in der unmittelbaren Umgebung Menschen zu ermutigen. Der Ermutigungsforscher Theo Schoenaker ist davon überzeugt, dass wir das tatsächlich konkret lernen können. Er hat in jahrelanger Forschungsarbeit zehn zentrale Eigenschaften herauskristallisiert, die Menschen haben, die auf sich und andere ermutigend wirken und die man täglich üben kann und sollte:


10 Eigenschaften für mehr Zuversicht

Klicke auf die Eigenschaften, um mehr zu erfahren:

1. Echtes Interesse für andere: Echtes Interesse an anderen und ihren Ideen, Wünschen und Anliegen ist sowohl Ausdruck als auch Voraussetzung für Gemeinschaftsgefühl. Auch das echte Interesse an mir gehört dazu – an meinen Gefühlen, Wünschen, unbewussten Zielen etc. „Unechtes Interesse, das Selbstbestätigung sucht, erlischt, sobald ich mich nicht im anderen wieder erkenne. Dann geht es ums Recht haben, Abwerten oder sich anderen Dingen zuwenden (Desinteresse)“, meint Schoenaker.

2. Tiefes, aufmerksames Zuhören: Echtes Zuhören ermutigt, weil sich die anderen ernst genommen und zugehörig fühlen. Eine Möglichkeit diese Form des Zuhörens zu üben, ist das aktive Zuhören, bei dem man sich Zeit nimmt, versucht die Dinge aus der Sicht des anderen zu sehen – und vielleicht auch das Gehörte in eigenen Worten wiederholt, um festzustellen, ob man das gleiche meint.

3. Begeisterung: Begeisterung ist laut Schoenaker eine Form der Freude. Sie bringt ein Lebensgefühl der Heiterkeit und Leichtigkeit zum Ausdruck und wirkt ansteckend und belebend. Deshalb wirkt eine Ermutigung, die begeistert ausgedrückt wird, wesentlich stärker. Begeisterung für die eigenen Ideen sollte man mit Humor mischen, um Fanatismus zu vermeiden.

4. Geduld: Ist wichtig in Bezug auf sich selbst und andere. Geduld und Ungeduld sind Einstellungen zum Verlauf der Zeit, dem Gang der Geschehnisse. Geduld beweist sich zum einen im Warten können (passive Form). Und zum anderen, dass man Mühseligkeiten, Hürden, Durststrecken und Rückschläge erträgt ohne sein Ziel aufzugeben (aktive Form).

5. Ein freundlicher Blick: Ein langer und intensiver Blickkontakt (aber kein starrer und unbeweglicher, sondern einer, der von Auge zu Auge wandert) ist gar manchmal gar nicht so leicht – und hat doch eine ungemein positive Wirkung. Mit einem Lächeln geht es meist einfacher.

Eine freundliche Stimme: Freundliche Worte, eine weiche Stimme, positive Formulierungen und vorwiegend Ich-Botschaften – diese Form der Kommunikation stärkt das Vertrauen, das Gemeinschaftsgefühl und stimmt zuversichtlich.

7. Das Gute erkennen: Es ist vor allem eine Entscheidung, wie wir die Welt wahrnehmen möchten. Wer sich dafür entscheidet, das Gute zu sehen, wird selbst positiver und optimistischer. Er wirkt offener und einladender auf andere Menschen und kann sie begeistern. Hilfreiche Fragen sind: Was kann ich an dieser Situation, diesem Menschen etc. Gutes erkennen? Wofür bin ich (trotz allem) dankbar?

8. Versuche und Fortschritte anerkennen: Fortschritte zu sehen führt weg vom Anspruch der Perfektion. Die Frage ist nicht: Wo warst Du erfolgreich? Sondern: Wo geht es schon besser? Es ist nicht mehr entscheidend, ob ein Mensch ein Ziel erreicht, sondern ob er/sie sich auf einem Weg der Weiterentwicklung befindet. Der Fokus geht weg von Fehlern, hin zu Verbesserungen.

9. Selbstverantwortlich handeln: Sehr oft verharren wir in einer Opferhaltung. Die Frage ‚Was kann ich jetzt tun?‘ führt mich weg davon – ich bin der Situation nicht mehr ausgeliefert, sondern kann handeln. Ich warte nicht auf Anstöße von außen, sondern setze mir selbst Ziele. Selbstverantwortliche Menschen sind weniger abhängig von ihren Stimmungen, den Erwartungen anderer, der Kindheitsgeschichte, dem Lebensstil, Lob und Anerkennung. Sie wissen, dass sie etwas tun können und dass es auf sie ankommt, weil jede Bewegung immer mit der Initiative eines Einzelnen beginnt.

10. Körpernähe und -kontakt: Körperliche Nähe bringt Vertrauen und damit auch emotionale Nähe. Wichtig ist, dass sie mit Respekt und Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen hergestellt wird.

Bildquelle: Son of Groucho (via flickr)