Ist Journalismus unter Umständen eine gemeinnützige Arbeit? Ja, sagt Günter Bartsch, Geschäftsführer vom netzwerk recherche e.V. Er verweist auf die USA. Dort gibt es schon einige Non Profit Journalisten. Und zwar mit Erfolg. Wir haben nachgefragt.

Warum Non Profit Journalismus?

Journalisten erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Ja, sie gelten gar als Vierte Macht im Staat. Doch vielen klassischen Verlagen sind sie mittlerweile zu kostspielig. Ein Dilemma. Aus dem könnte der Investigative Journalismus zumindest ein gutes Stück weit heraus kommen, wenn er als das anerkannt würde, was er ist: Als gemeinnützig. In den USA und Großbritannien gibt es schon länger die Tradition des Non Profit Journalism (NPJ), auch Think-Tank-Journalism genannt. Mit Erfolg. Den will das Netzwerk Recherche, das sich hierzulande für Investigativen Journalismus stark macht, nun auch nach Deutschland holen. Geschäftsführer Günter Bartsch hat uns in einem Interview mehr darüber erzählt.

Wieso sollte Journalismus gemeinnützig sein können?

Günter Bartsch: Viele Kollegen aus dem Vereinigten Staaten haben damit gute Erfahrungen gemacht. Dort gibt es eine ganze Reihe von alternativen Recherche- und Redaktionsbüros – von kleinen Teams wie der »Investigative Post« in Buffalo (www.investigativepost.org) bis hin zu großen Newsrooms wie etwa der »ProPublica« (www.propublica.org). Diese sind gerade deshalb so erfolgreich, weil sie gemeinnützig arbeiten können. Also dadurch, dass sie bestimmte Steuern nicht zahlen müssen und dass die Spender ihre Beiträge absetzen können. Und natürlich hilft auch die Reputation. Wenn ein solches Recherche-Büro als gemeinnützig anerkannt ist zeigt das, dass es einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leistet.

Welche Auswirkungen hätte ein gemeinnütziger Journalismus in Deutschland?

Günter Bartsch: Gerade im lokalen Bereich gibt es auch in Deutschland schon etliche Blogs und journalistischen Projekte, die neue Formen des Journalismus ausprobieren. Sie sind damit durchaus auch eine Konkurrenz für den herkömmlichen Lokaljournalismus. Das ist gut, denn gerade hier fehlt es immer mehr an Konkurrenz. Solche neuen Projekte beleben das Zeitungswesen.

Mit dem wirtschaftlichen Druck verändert sich ja auch die gesellschaftliche Bedeutung des Journalismus. Würde es denn die Rolle des Journalismus stärken – oder ihm vielleicht eine ganz neue geben, wenn er als gemeinnützig gilt?

Günter Bartsch: Die meisten Gründer und Initiatoren dieser neuartigen Projekte sehen sich eher als eine Art Opposition gegenüber den herkömmlichen Medien. Sie wollen Dinge sichtbar machen, die sonst nicht gezeigt werden.

Es kommt also beides zusammen: Auf der einen Seite kann ein Non Profit Journalismus die Lücke füllen, die zum Beispiel durch das Wegbrechen der Lokalzeitungen entsteht – viele werden eingestellt oder bestehen nur noch als Zombie-Zeitungen, deren Inhalte aus Redaktionszentralen stammen. Auf der anderen Seite eröffnet sich dadurch Raum für Innovationen, die nach dem bisherigen Prinzip in Deutschland einfach nicht möglich sind.

Wie grenzt sich gemeinnütziger Journalismus von nicht-gemeinnützigem ab?

Günter Bartsch: Das ist gar keine so einfache Frage. Grundvoraussetzung muss sein, dass es keine Profitorientierung gibt. Natürlich müssen die Journalisten, die daran arbeiten, keine Rendite erzielen möchten – auch wenn sie nicht ehrenamtlich arbeiten sollen. Aber das ist bei den derzeit gemeinnützigen Vereinen auch nicht der Fall.

Dazu kommt, was der US-amerikanische Kollege David Kaplan (Vorsitzenden des Global Investigative Journalism Network, www.icij.org/journalists/david-kaplan) ganz gut auf den Punkt gebracht hat: Die Aufgabe eines gemeinnützigen Journalismus muss darin bestehen, mit der Berichterstattung auf eine gut informierte Öffentlichkeit innerhalb einer freien und funktionierenden Demokratie hinzuwirken. Es muss darüber hinaus also auch um Qualitätsjournalismus geht, der die Bevölkerung über Missstände und relevante Ereignisse aufklären möchte. Unterhaltender Journalismus kann aus meiner Sicht daher keine Gemeinnützigkeit erlangen.

Der nicht-gemeinnützige Journalismus wäre der eine Grenzverlauf – der andere ist der zu Organisationen wie LobbyControl, abgeordnetenwatch oder Foodwatch, die ja durchaus auch recherchieren und publizieren. Welchen Unterschied gibt es hier?

Günter Bartsch: Es stimmt, dass diese Kollegen zum Teil wirklich eine super Arbeit machen, von der ich mir wünschte, dass sie Journalisten ausfüllten. Dennoch es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Aktivist und Journalist: Die Aktivisten haben ein klares Ziel. Sie möchten unsere Gesellschaft in eine bestimmte Richtung verändern – bei dem Beispiel LobbyControl ist es das Ziel, den Lobbyismus in Deutschland zu begrenzen. Das steht auch klar in ihrer Satzung drin. Das würde ein gemeinnütziger Journalismus niemals tun. Er ist nicht monothematisch ausgerichtet.

Was sind ihre nächsten Schritte, um Non Profit Journalism in Deutschland zu etablieren?

Günter Bartsch: Wir haben zunächst eine Website gestartet, um das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen: http://netzwerkrecherche.org/wordpress/nonprofit/. Denn wir haben zum Beispiel festgestellt, dass sich Politiker in Deutschland noch gar nicht damit beschäftigen.

Dann möchten wir feststellen, wie sich eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit rechtlich verankern lässt: Mit welchen Formulierungen kann das in die Abgabenverordnung kommen? Wie müssen sich die Ausführungsbestimmung der Finanzämter sich ändern? Nicht alles lässt sich im Vorfeld klären. Die Anerkennung wird – wie das übrigens auch in den USA der Fall ist – immer eine Einzelfallentscheidung sein. Aber wir wollen hier schon mal die Grundlagen schaffen. Dann hoffen wir, dass sich das Ganze zu einem Selbstgänger entwickelt. Dass die Politik unsere Idee aufgreift und die entsprechenden Gesetze und Verordnungen umsetzt.

Was können Journalisten oder auch interessierte und engagierte Nutzer tun, um Sie dabei zu unterstützen?

Günter Bartsch: Wir haben momentan keine Petition oder ähnliches, weil wir zunächst die rechtlichen Grundlagen klären wollen. Dennoch können sich interessierte Menschen schon bei uns melden. Denn wir freuen uns über eine aktive Debatte und viele Fragen, Meinungen und Ideen, wie man die Sache angehen könnte. Da haben wir natürlich auch noch nicht alle Antworten.

Gibt es denn in Deutschland schon Projekte, die ein Paradebeispiel für einen Non Profit Journalismus sind?

Günter Bartsch: Es gibt schon ein paar Projekte, die bereits die Voraussetzung der Gemeinnützigkeit erfüllen, indem sie den Umweg über einen Bildungsauftrag nehmen – etwa in Form von Workshops und ähnlichem. Dazu zählt zum Beispiel die Kontext Wochenzeitung (www.kontextwochenzeitung.de), die ein sehr typisches Beispiel für diese Form des Journalismus ist. Sie finanzieren sich jetzt schon unter anderem über Spenden und Solibeiträge.

Im Lokaljournalismus gibt es beispielsweise das hamburger Blog hh-mittendrin.de, das sich auch über Spenden und Förderer finanziert. Und schließlich könnten unter die Gemeinnützigkeit auch Initiativen fallen, die selbst gar nicht journalistisch arbeiten wollen, aber journalistische Initiativen durch Stipendien fördern und unterstützen möchten – da gibt es beispielsweise in Leipzig die Initiative »Initiative Stadtjournalismus Leipzig« (isjl.de).

Das heißt die Journalisten in Deutschland sitzen quasi schon in den Startlöchern und wären bereit, diese Möglichkeit dann auch beim Schopf zu packen?

Günter Bartsch: Auf jeden Fall. In vielen Städten entstehen jetzt schon viele spannende Projekte, die die Gemeinnützigkeit aus meiner Sicht erfüllen. Diese Projekte stehen natürlich allesamt vor der Frage, wie sie sich finanzieren können. Die Frage ist, wie das mit dem Spenden in Deutschland funktioniert. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit würde so manchem dieser unabhängigen Projekte die Gründung erleichtern.

Vielen Dank für das Gespräch!