9. November 2009. Zum 20zigsten Mal jährt sich der Tag des Mauerfalls. Wo man hinschaut beherrscht das Thema die Medien? Zumindest heute. Und so wird aus aktuellem Anlass mal wieder geschrieben, berichtet, geplaudert, doziert, getuschelt und geschwiegen und man fühlt sich an den berühmten Satz Willy Brandts erinnert: „Und nun wächst zusammen was zusammen gehört!“ Auffällig: Jeder hat inzwischen seinen ganz persönlichen Platz in der Geschichte gefunden, kann auf diesen ganz verzichten oder sucht ihn gerade heute in diesen Tagen des Erinnerns: „Ich habe auch noch was zu sagen!“ „Ich nicht.“ oder „Lasst mich bloß damit in Ruhe“ Irgendwie fühlt man sich ganz unweigerlich an die strapazierte Ehe eines älteren Paares erinnert. Wächst hier wirklich was zusammen. Und wenn ja, was?

Da flitzen die Reporter aller Sender durch die Innenstädte, so das die Kameras kaum noch hinterher kommen, da werden ganze Schulklassen befragt und gefilmt, die von allem naturgemäß nicht viel wissen können, welche aber zumindest das besondere Happening in der Sache spüren! Original-Zitat: „Weißt Du, ich sag mal so, das hat doch alles irgendwie was mit Freiheit zu tun“ und „wenn übrigens nachher im Fernsehen die Domino – Steine umfallen, so wie damals die Mauer, das finde ich richtig geil!“ Ich übrigens auch!

Für einen Westdeutschen, der nie in der ehemaligen DDR gelebt hat, ist es schwer, ein vernünftiges und gerechtes Urteil zu finden, leicht aber zu sagen, dass die Bespitzelungen, die Ermordung von Flüchtlingen und das Inhaftieren von Regime-Gegnern etwas war, das diesen Staat zu einem furchtbaren Unrechtstaat gemacht haben! Vor allem, wenn man die Ungerechtigkeiten der Welt dabei vollständig ausblendet. Vielleicht hätte man gleich nach dem Mauerfall auf eine ökologisch, soziale Wirtschaftsform setzen sollen… und damit auch auf einen nicht unwesentlichen Teil der damaligen DDR-Identität. Zu spät. Wie sagte Gorbatschow doch so treffend: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“

Da gibt die Millionen von „Einzelschicksalen, Menschen, die den 2 Weltkrieg überlebten und danach noch das Ost Regime ertragen durften. „Ein bisschen viel Scheiß, für ein einziges Leben.“ – Es gibt eben manchmal ganz einfach nicht mehr viel zu sagen, auch deswegen, weil man nicht mehr die passenden Worte findet! Vor allem, wenn man in der neuen BRD auch nicht gerade zu den Gewinnern gehört…

Andere, plötzlich Auferstehende, haben bereits wieder (oder immer noch) eine wohlig warme, verklärte Meinung. “ So schlecht war das alles doch auch nicht. Man muss das alles auch mal differenzierter sehen.“ Und: „Arbeit hatte schließlich jeder, reisen nach dem Westen, wollte sowieso keiner und die Stasi und die Toten an der Mauer tun einem natürlich genau so Leid, wie diejenigen, welche wegen Staatsbeleidigungen in den Gefängnissen saßen. Aber man wollte schließlich damals den Arbeiter – und Bauernstaat vor dem Kapitalismus retten!“ – oder?

Das ist allerdings zumindest bis heute nicht gelungen! Gelungen war dafür die oben zitierte Beschreibung Willy Brandt, das Bild einer romantischen Begegnung, bei der etwas zusammen wächst, was schließlich und endlich ja auch zusammen gehört. Zwei Wesen, welche sich damals vor 20 Jahren kennen und lieben lernten! Doch wie in so mancher Zweierbeziehung, befindet sich auch dieses Paar nun in einer echten Krise, die man allerdings zu zweit bestehen und überwinden wird. Doch zum glücklichen Zusammenwachsen wird noch viel Zeit ins Land gehen, vielleicht braucht es sogar mehrere Generationen. Kinder und Enkel, die Verständnis füreinander entwickeln, einander verzeihen und – vor allem – vertrauen können. Hoffen wir also das Beste – für die nächsten 20 Jahre!

Ach, Willy , Du hattest ja so Recht!

Eine Realsatire von
Michael Stinnes

Bildquelle:
Thomas Nestke, Pixelio.de