Wir durchlaufen zahlreiche globale Krisen – ökologische und soziale. Viele davon sind politisch verursacht. Du kannst was tun: Fordere Veränderungen von Entscheidungsträger:innen. Hier gibt es eine Anleitung, wie du Protestbriefe schreiben kannst!

1. Was ist deine Motivation?

Vor zwei Tagen kam der Bericht »Umsteuern für soziale Gerechtigkeit« von Oxfam in mein Email-Postfach geflattert. In dem PDF steht, wie unglaublich reich die Reichen nicht trotz, sondern wegen der Finanz-, Corona- und Energiekrise geworden sind. Und dass immer mehr Menschen arm sind und sogar hungern. Das hat mich furchtbar geärgert. Nicht nur, weil das alleine schon total ungerecht ist. Sondern auch, weil es verhindert, dass wir Geschlechtergerechtigkeit erreichen und Rassismus abbauen. Weil das den Klima- und Umweltschutz verhindert. Und weil es sich politisch lösen lässt – die Politiker:innen müssten nur wollen.

Was macht dich wütend? Was willst du nicht länger schweigend hinnehmen?

Recherchiere zu dem Thema und frage dich: Wer kann an diesem Missstand etwas ändern? In meinem Fall habe ich sofort an Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Robert Habeck gedacht. Ich habe mir im Internet ihre Adressen rausgesucht und mich ans Schreiben gemacht.

2. Lass alles raus

Nimm dir nun 10 Minuten Zeit (stell dazu zum Beispiel den Timer in deinem Handy oder eine Eieruhr aus der Küche) und schreib ohne groß nachzudenken alles auf, was dich nervt und ärgert. Vergiss tolle Formulierungen und korrekte Fakten. Lass erst mal alles einfach raus!

Wenn es dir schwerfällt, dann probiere folgendes: Setze den Stift auf das Papier, halte kurz inne. Du kannst auch kurz die Augen schließen, wenn das angenehm für dich ist – es hilft jedenfalls beim Konzentrieren. Achte ein paar Sekunden lang nur auf deinen Atem. Wandere dann mit deiner Aufmerksamkeit in deinen Bauch. Denk nun an das Thema und spüre, welche Gefühle sich in deinem Bauch breit machen.

Was fühle ich dabei? Was bewegt mich?

Und dann fängst du an zu schreiben. Egal was. Es können Satzfetzen sein, einzelne Worte, Laute. Es kommt nicht auf Qualität an. Es kommt nur auf Authentizität an. Schreib dann 10 Minuten einfach immer weiter. Und wenn du nicht mehr weißt, was du schreiben sollst, dann schreibst du »ich weiß nicht, was ich schreiben soll« oder etwas ähnliches. Diesen Satz schreibst du so lange immer wieder auf, bis dir der nächste Gedanke kommt.

3. Was sind die Fakten?

Gehe deinen Text durch und markiere dir die Themen und Stichpunkte, die dir besonders wichtig sind. Denke dabei an die Person, der du den Brief letztlich schreiben möchtest. Was von den Dingen, die du aufgeschrieben hast, liegen in seinem oder ihrem Handlungsbereich?

Recherchiere dann die Fakten zu deinen Ideen, Gedanken und Annahmen: Ist die Sachlage tatsächlich so, wie du denkst? Welche Entscheidungen und Maßnahmen hat die Person, der du schreiben willst, in der letzten Zeit in Bezug auf dein Thema tatsächlich getroffen?

Welche Fragen und Einwände hätte jemand, der die Sache anders sieht als du?

Es ist wichtig, dass du dich selbst kritisch hinterfragst. Wir alle stellen gerne schnell und voreilig Vermutungen an und glauben dann, dass die Sache wirklich so ist. Wenn du mal nüchtern nachschaust, wirst du in vielerlei Dingen erkennen, dass du vorschnell geurteilt hast. Korrigiere dabei deine Annahmen und Schlussfolgerungen. Es ist jedoch wichtig, dass dein Anliegen schlüssig ist, denn sonst wird der Adressat deinen Brief einfach nicht ernst nehmen.

Wenn du möchtest, kannst du in deinem Brief in einer Fußnote auch deine Quellen angeben.

4. Schreibe den Brief

Wenn du gründlich recherchiert hast, kannst du dich an den Brief machen. Schreibe dabei genauso, wie du sprichst. Streiche alle überflüssigen Worte. Verwende möglichst aktive Formulierungen und vermeide Substantivierungen. Ich persönlich schreibe am Anfang gerne, warum ich schreibe. Dazu nenne ich mein allgemeines Anliegen in einem Satz – und schiebe dann meine Grund hinterher, warum ich genau dieser Person in Bezug auf dieses Thema schreibe.

Dann kommt ein Abschnitt, in dem ich noch mal kurz (!) darauf eingehe, was ich recherchiert habe und wieso mich das so bewegt (ja, Emotionen sind wichtig!). Zum Abschluss schreibe ich dann noch eine klare Forderung auf. Zum Beispiel:

»Deshalb fordere ich Sie auf, faire Steuern für Übergewinne einzuführen, Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer zu beenden, Vermögenssteuer wieder einzuführen, eine einmalige Solidaritätsabgabe von Millionär:innen und Milliardär:innen zu erheben, den Entwicklungsetat zu erhöhen, Privatisierungen rückgängig zu machen, Mittel für Klimaschutz zu erhöhen, sozial-ökologische Investitionen in Unternehmen vor Gewinnausschüttungen zu stellen, Unternehmen an das Gemeinwohl zu binden und vielfältige Interessenvertretungen in Leitungsgremien von Unternehmen sicherzustellen«.

Was ist deine Forderung?

Ganz zum Schluss stelle ich noch eine offene Frage – also eine, die sich nicht mit »Ja« oder »Nein« beantworten lässt. Zum Beispiel: »Was halten Sie davon und was werden Sie konkret tun, um diese anhaltende Umverteilung von unten nach oben zu stoppen?«

Tipp: Schreibe ein Haiku … Wenn du Mühe hast, dein Anliegen auf den Punkt zu bringen, kannst du dich auch erst mal ganz spielerisch und frei damit beschäftigen, ein Haiku zu deinem Thema zu verfassen. Ein Haiku ist eine japanische Gedichtform, die aus 10–17 Silben besteht, oft aus drei Zeilen. Ein Haiku beschreibt die Gegenwart, ist konkret und steht im Präsens. Außerdem verrät ein gelungenes Haiku nicht alles. Es soll vielmehr einen Gedankenblitz auslösen. Wichtig ist auch, dass ein Haiku nicht wertet.

Zwei Beispiele habe ich von dem Blog Contentman.de, wo es auch eine genauere Anleitung für Haikus gibt:

Der alte Weiher:
Ein Frosch springt hinein.
Oh! Das Geräusch des Wassers.

          Matsu Bashō

Ein klassisches Beispiel aus Deutschland:

Der Bauer pflügt den Acker.
Wer
Wird die Ernte einbringen?

        Bertolt Brecht

5. Für Verbreitung sorgen

Für wen willst du deinen Protestbrief schreiben? Einfach nur für dich? Oder soll die Welt davon erfahren? Wenn du die letzte Frage mit »Ja« beanwortest, dann berichte über deinen Protestbrief doch in deinem Blog oder deinen Social-Media-Kanälen. Berichte auch, welche Antwort du erhalten hast.

Übrigens: Wenn du wirklich eher Infos suchst, als einen Protestbrief zu schreiben, gibt es zum Beispiel auch das Portal fragdenstaat.de oder abgeordnetenwatch.de.