Der Weg ist das Ziel

Ja, was kann denn ein Einzelner wirklich ausrichten? Von Hollywood sind wir jedenfalls nur gewohnt, dass ein „echter“ Held die ganz Welt allein und mit Pauken und Trompeten rettet. Wer diesen Anspruch an sich hat, muss mit Sicherheit verzweifeln.

Nein, es ist sogar noch härter: Wer, der sich engagiert, kennt nicht die absolut frustrierenden Stunden, wenn man mal wieder gegen eine Wand gelaufen ist, wenn es wieder einen harten Rückschlag gab, wenn sich die Dinge so langsam ändern, dass man es kaum wahrnimmt?

Und doch steht es fest: Wenn jeder sein kleines Schärflein zum großen Ganzen beiträgt, dann gestaltet das unsere Gesellschaft, unsere Welt. Wer sich das mal wieder vor Augen halten muss, um sich zu weiterem Engagement zu motivieren, dem kann ich „Ist das Leben nicht schön?“ oder „Hier ist John Doe“ von Frank Capra empfehlen (zwei alte schwarzweiß Schinken, ziemlich romantisch, aber – wie ich finde – unglaublich schön und herzerwärmend).

In „Hier ist John Doe“ verfasst die frustrierte Journalistin einer Lokalzeitung einen fingierten Leserbrief: Der fiktive Verfasser John Doe ist arbeitslos, klagt in dem Brief die korrupten Politiker an und kündigt auch noch an, vom Dach des Rathauses einer Kleinstadt zu springen. Unerwarteterweise greift die Öffentlichkeit diesen „Leserbrief“ auf: Eine Welle der Entrüstung entbrennt (wie kann man ihn nur springen lassen), es werden etliche Jobs angeboten, ältere Damen möchten John Doe ein Heim anbieten, andere wollen ihn gar adoptieren.

Mit diesem unerwarteten „Erfolg“ konfrontiert greift der Verlag mitsamt seiner Journalistin zu einem Trick, um sich aus der Misere zu ziehen (schließlich will er auf keinen Fall zugeben, dass er sich Leserbriefe ausdenkt): Sie engagieren einen Obdachlosen, der John Doe spielen soll bis sich der Trubel wieder gelegt hat. Der Haken ist allein, dass John Doe die Herzen der Menschen erreicht und eine amerikaweite Bewegung in Gang setzt.

Die so genannten John-Doe-Clubs bestehen aus Nachbarn, die sich erstmals wirklich kennen lernen, für einander einstehen und sich – auch unter persönlichen Nachteilen – helfen. Denn nur so, meint der gespielte John Doe, könne der „kleine Mann“ den Mächtigen dieser Welt etwas entgegen setzen. Natürlich fliegt die Sache irgendwann auf und… Nein, mehr will ich auch gar nicht verraten.

Jedenfalls ist die Moral der Geschicht‘: Da jeder Einzelne der John-Doe-Clubmitglieder seine innere Einstellung ändert, geschieht etwas Großes, Unvorhergesehenes und Gesellschaftsveränderndes (für die Politiker im Film zutiefst Beunruhigendes). Und hier bin ich auch schon wieder bei meiner Eingangsfrage: Was kann ein Einzelner tun? Kann er denn etwas bewirken?

Die Antwort lautet natürlich JA! Und doch denke ich, dass einige wahrscheinlich nicht am richtigen Punkt ansetzen. Es gibt viele „Weltverbesserer“, die viel nachgedacht und für sich eine Lösung gefunden haben. Diese Lösung vertreten sie vehement (wogegen es natürlich nichts einzuwenden gibt). Aber zum Teil vertreten sie sie so vehement, dass man meinen möchte: Wenn sie an der Macht wären, wären sie die gleichen Despoten wie man sie heute aus anderen Ideologien auch schon kennt. Sie haben vergessen, dass es nicht nur um Gedankengebäude und politische Theorien und Überzeugungen geht – sondern vor allem darum, wie sie als Mensch sind.

Auf der anderen Seite sind die, die ganz öko sind, weil es schick ist. Weil es heute zum Lifestyle dazu gehört. Sie scheinen keine Ideale zu haben, die ihnen so wichtig sind, dass sie dafür ihr bequemes Leben riskieren würden. Sie suchen sich unter den angebotenen „Individualitäten“ eine aus – und die LOHAS (Lifestyle of Health and Systainability) ist derzeit eben einfach angesagt.

Sicher, die Frage nach dem Sinn des Lebens kann sich natürlich nur jeder selbst beantworten. Und doch möchte ich an dieser Stelle noch mal zum Nachdenken anregen. Denn der einzelne Mensch scheint mir doch in seiner Individualität der Ausgangspunkt für jede Art von Veränderung zu sein. Die Welt verbessern heißt dann nicht unbedingt nur: Fair-Trade- und Öko-Produkte kaufen, Energiesparlampen rein drehen und Müll trennen. Das alles sind gute Sachen, die man machen sollte. Aber sie sollten nur kleine Randbemerkungen einer umfangreicheren, seelischen (oder geistigen) Entwicklung sein. Und nicht die einzige Tat für eine bessere Welt.

Denn eine wirkliche Veränderung muss tiefer beginnen. Wer die Welt verändern will, muss sich aus meiner Sicht zu allererst einmal selbst verändern. Und nach meiner Überzeugung kann das Ziel der Veränderung nur lauten: innere Freiheit und Menschlichkeit.

Mit innerer Freiheit meine ich, dass man sich frei machen sollte von all den Ansprüchen, die einem von außen eingeprägt werden. Wer sagt denn, dass es wichtig ist, im Leben Karriere zu machen? Wer sagt denn, dass mich die anderen nur mögen, wenn ich schicke Klamotten trage, ein dickes Auto fahre oder auf Safari nach Kenia reise?

Wer sagt denn, dass ich nur dann zu den kritischen Vordenkern unserer Zeit gehöre, wenn ich Öko-Marken kaufe, gegen Kohlekraftwerke demonstriere und eine Petition gegen gentechnisch veränderten Mais unterschreibe? Letzteres würde ich natürlich auch machen – und natürlich nicht, weil ich denke, dass ich damit endlich „dazu“ gehöre ;-D – aber ich meine, man sollte WIRKLICH mal hinterfragen, warum man was macht!

Mit wahrhaft menschlich werden meine ich, dass man seine Fähigkeiten der Empathie, des Mitgefühls, der Hilfsbereitschaft usw. usf. regelrecht trainieren sollte.

Wie man dies erreichen kann, dafür gibt es wahrscheinlich keinen einfachen Do-it-yourself-Guide. Mit Sicherheit aber ist es ein lebenslanger Prozess, der nie aufhört. Bei dem der eine eine weitere Strecke zurück legen kann, als ein anderer. Aber egal wie weit man kommt, wichtig ist dass wir uns bewusst sind, dass es diesen Weg im Leben gibt! Dass wir anfangen zu laufen und nicht stehen bleiben (auch wenn wir unterwegs Verschnaufpausen einlegen).

Dass wir um diesen Weg wissen (auch wenn wir keine perfekten Menschen werden können – das wird wohl niemandem oder zumindest nur ganz ganz Wenigen gelingen), ist meines Erachtens mindestens genauso wichtig, wenn man für eine bessere Welt eintreten möchte, wie die tatsächlichen Handlungen in dieser (materiellen) Welt. Denn ohne dieses Fundament sind alle diese materiellen Bemühungen irgendwie auf Sand gebaut. So, und das war mein Wort zum Sonntag…